Geraldine Schenker: Chancen und Risiken der Digitalisierung
Mein Blick auf die Schule 2030 ist relativ stark dadurch geprägt, dass ich mich selbst für neue Technologien begeistern kann und in der klugen Nutzung von digitalen Tools ein grosses pädagogisches Potential erkenne. Zum einen können wir mit diesen Tools begabte Schülerinnen und Schüler gezielt fördern und sie mir anspruchsvollen Aufgaben konfrontieren, die dazu geeignet sind, ihre Intelligenz herauszufordern und komplexe Lösungen «herauszukitzeln». Zum anderen können wir aber auch lernschwächere Schülerinnen und Schüler mit passenden Aufgaben versorgen, die vom Anforderungsniveau her so dosiert sind, dass die Kinder bei der Bearbeitung echte Fortschritte machen und durch Erfolgserlebnisse gestärkt werden. Der wichtigste Vorteil guter digitaler Tools besteht darin, dass sie sich dem individuellen Niveau der Kinder anpassen und dass die Kinder durch ihr eigenes Lernverhalten mitbestimmen, was als nächstes kommt. Das bedeutet nicht, dass ich als Lehrerin überflüssig wäre, überhaupt nicht! Es bedeutet vielmehr, dass ich eine Schlüsselrolle habe, die Schülerinnen und Schülern mit solchen Technologien vertraut zu machen. Und es bedeutet die Chance, den Unterricht vielfältiger zu gestalten.
Eine Schlüsselrolle kommt den Lehrpersonen auch deshalb zu, weil die Chancen der Digitalisierung auch mit grossen Risiken verbunden sind. Zu diesen Risiken gehört, dass bei vielen Kindern die Zeit vor dem Bildschirm ausufert und die gesamte Freizeit «auffrisst». Zu diesen Risiken gehört auch, dass der Einfluss der sozialen Medien immer grösser wird und die Kinder manipulativen Botschaften ausgesetzt sind und darunter leiden, dass sie einem künstlich erzeugten Image nicht gerecht werden. Früher war vor allem das exzessive Gaming besorgniserregend, jetzt kommt mehr und mehr Druck der sozialen Medien als Herausforderung für die Schulen hinzu. Die Schattenseiten der neuen Medien können Verhaltensauffälligkeiten verstärken und zu echten Problemen in Schulsituationen führen, bei denen wir noch über wenig Erfahrungen verfügen. Wichtig ist hier vor allem die gute Zusammenarbeit mit den Eltern, wobei manchmal leider in Schulen ein Ohnmachtsgefühl entsteht, weil wir gerade bei «Sorgenkindern» die Eltern eher schlecht erreichen.
Es ist hilfreich, wenn man die Elternarbeit nicht als Einzelkämpferin oder Einzelkämpfer angehen muss, wie es auch für die Gestaltung des Unterrichts vorteilhaft ist, wenn verschiedene Fachpersonen zusammenarbeiten. Da machen wir gute Erfahrungen mit motivierten Studierenden im Praktikum, aber auch in Tandems mit anderen Lehrpersonen oder mit Fachpersonen für Heil- und Sonderpädagogik. Auch bei den Klassenassistenzen kommen heutzutage motivierte Leute mit verschiedenen persönlichen Hintergründen hinzu, die einen wertvollen Beitrag für die Schul- und Unterrichtsqualität leisten. Und nicht zuletzt profitieren wir heute in Zeiten des Lehrpersonenmangels, wenn pensionierte Lehrkräfte an Schulen aushelfen. Einerseits sind neue Ideen und kritisches Denken wichtig, andererseits ist auch früher schon an Schulen sehr gute Arbeit geleistet worden. Entscheidend ist, sich für das Lernen der Kinder begeistern zu können.
Geraldine Schenker, Lehrperson Zyklus 2 Schule Muhen und Studentin MA Educational Sciences Vertiefungsrichtung Erwachsenenbildung