Blog zum NW-Bildungstag

Guido McCombie: Die Bedeutung der Lehrperson in der Schule der Zukunft

13. Oktober 2023

Bei der Frage nach den Prioritäten für die Schule 2030 und den Perspektiven für die Schule 2050 haben wir es – wie oft im Leben – mit Licht und Schatten zu tun. Glücklicherweise ist die Ausgangslage für den Bildungsraum Nordwestschweiz durch viele positive Aspekte geprägt: Bei der Schul- und Unterrichtsorganisation finden wir viele Beispiele für eine solide Praxis, an der auf dem Weg in die Zukunft anzuknüpfen ist. Und auf der Ebene der PH finden wir eine Lehrer*innenbildung, die nicht nur mit Fachkompetenz, sondern auch mit viel Herzblut von den Lehrenden in den Studiengängen und Weiterbildungsangeboten vermittelt wird.

Da die gesellschaftliche Umwelt von Schule und Hochschule durch einen dynamischen Wandel geprägt ist, wäre es allerdings verfehlt, einfach an der bestehenden Praxis festzuhalten. Dieser Wandel bietet wichtige Chancen, ist aber auch mit Problemen behaftet, die nicht ignoriert werden dürfen. So ist etwa der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Schulen eine wichtige Chance, weil sich neue Möglichkeiten für die Individualisierung von Lernprozessen ergeben. Zugleich haben wir es hier aber auch mit einem Problem zu tun, weil wir uns nicht blindlings auf die KI verlassen können: Es braucht beim Einsatz solcher Technologien auch in Zukunft eine menschliche und menschenfreundliche Regie im Hintergrund.

Genau deshalb wird die Rolle der Lehrperson in der Schule der Zukunft zentral bleiben: Sie stellen mit ihrer pädagogischen und didaktischen Expertise die Weichen für die Unterrichtsqualität, und sie müssen begleitend und beratend dafür sorgen, dass die Technologie sich nicht verselbständigt. Die Interaktion mit intelligenter Software bietet ein grosses Potential, dass Kinder und Jugendliche die eigenen Lernprozesse über die Auswahl und Bewältigung von Aufgaben mitsteuern; die Nutzung der Software muss dabei aber durch stabile zwischenmenschliche Beziehungen abgestützt sein, und diese Beziehungen werden von Lehr- und anderen Fachpersonen «persönlich» gestaltet. Deshalb bleibt die Aus- und Weiterbildung an Pädagogischen Hochschulen auch weiterhin ein Beitrag zur Persönlichkeitsbildung: Sach- und Fachkompetenz sind von grosser Bedeutung, es braucht aber immer die Interaktion mit einem realen Gegenüber, denn Verständnis braucht die Auseinandersetzung mit anderen Personen.

Aufgrund der wachsenden Heterogenität in der Gesellschaft, die in kulturellen Hintergründen zum Ausdruck kommt, wird der pädagogische «Bedarf» an Persönlichkeit in Zukunft eher grösser als kleiner werden. Es ist schon jetzt sehr anspruchsvoll, mit dieser Heterogenität offen und flexibel umzugehen – aber auch Grenzen zu setzen, um ein friedliches und konstruktives Miteinander zu garantieren. Es zeichnet sich ab, dass diese Aufgabe in den kommenden Jahrzehnten noch anspruchsvoller wird.

Pädagogische Berufe erfordern jetzt schon sehr viel psychische Energie, weil durch die Kinder und Jugendlichen eine komplexe Welt ins Schulzimmer hineingetragen wird und permanent neue Herausforderungen an die Lehrpersonen herangetragen werden. Lehrpersonen und pädagogische Fachkräfte sind immer als ganze Person gefordert, es ist deshalb wichtig, dass die Pädagogischen Hochschulen ein Hauptaugenmerk auf gesunde Strategien der Stressbewältigung legen. Dazu gehört auch, Lehrpersonen und pädagogische Fachkräfte vor einem falschen Perfektionismus zu schützen: Es geht bei gutem Unterricht um solide und robuste Lösungen, bei denen auch einmal etwas schiefgehen darf, ohne dass gleich die Welt zusammenbricht. Wichtiger als die Perfektion im Detail ist die Freude am Beruf, und starkes Selbstvertrauen kann am besten vermitteln, wer selbst ein solches Selbstvertrauen hat. Durch Kooperation und Intervision die Wände der Schulzimmer etwas transparenter zu machen, ist nicht nur deshalb gut, weil das konstruktive Lösungen begünstigt, sondern auch deshalb, weil deutlich wird, dass wir alle nur mit Wasser kochen. Wir brauchen pädagogische Visionen exzellenten Unterrichts, wir brauchen aber auch pädagogischen Pragmatismus, der auf Fehler und Missgeschicke mit Gelassenheit reagiert.

Guido McCombie, Direktor Pädagogische Hochschule FHNW

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