Lars Hering zu Schule & Berufswelt 2040 aus Sicht der Berufsberatung

Laufbahngestaltungskompetenzen entwickeln
Aus berufsberaterischer Sicht ist dabei eine gute erste berufliche Orientierung in der Volksschule zentral. Es freut mich, mit welch grossem Engagement sich viele Schulleitungen, Lehrpersonen und Fachpersonen berufliche Orientierung dieser zentralen Zukunftsaufgabe bereits heute widmen. Die Zusammenarbeit der Berufsberatung mit Jugendlichen, Eltern, Lehr- und weiteren Fachpersonen funktioniert in Basel – auch aufgrund der kurzen Wege – meist gut.
Was muss passieren, damit noch mehr Jugendliche einen Abschluss erreichen und welche Kompetenzen sind zukünftig wichtig?
Berufliche Orientierung muss in allen Leistungszügen einen grossen Stellenwert erhalten. Die Berufswelt 2040 wird anders als heute aussehen. Berufliche Qualifikationen – egal, ob über eine Lehre oder ein Studium erworben – sind heute kein Rucksack mehr, der in frühen Jahren gepackt und dann für 30 oder 40 Jahre alles Wichtige enthält, was für das Erledigen eines Jobs erforderlich ist. Es geht also klar um lebenslanges Lernen, und es geht heute sowohl im berufsbildenden wie auch im allgemeinbildenden Zweig der Sekundarstufe II darum, den Grundstein dafür zu legen, dass die Jugendlichen Laufbahngestaltungskompetenzen aufbauen, die es ihnen später ermöglichen, in einer hochgradig flexibilisierten Berufswelt zurechtzukommen. Dabei geht es nicht nur um ein erstmaliges Erkunden der Interessen und Fähigkeiten und damit verbunden eine erste Berufs- oder Schulwahl. Es geht vielmehr auch darum zu Lernen den gefällten Entscheid zu hinterfragen, Wege wenn nötig anzupassen und Entwicklungen zu antizipieren: Gefällt mir mein Beruf weiterhin und wird es ihn 5-10 Jahren so noch geben? In der Berufswelt 2040 müssen die Menschen sich selbst besser managen können als früher, weil diese Welt einerseits mehr Freiheiten bietet, andererseits aber auch mit mehr Unsicherheiten durchsetzt ist. Die Entwicklung von Laufbahngestaltungskompetenzen ist eine Schlüsselkompetenz für ein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben. Sie muss eine noch zentralere Rolle in der beruflichen Orientierung erhalten.
Passende Anschlüsse müssen das Ziel der beruflichen Orientierung sein – und das muss nicht immer der höchstmögliche sein. Zentral sind Erfolgserlebnisse und das eigene Kompetenzerleben. Gymnasiale Bildungswege sind eine wichtige Option, aber eben nicht die einzig richtige Option, und es wäre grundfalsch, wenn die Berufslehre in ein Licht gerückt wird, wo sie als Verlegenheitslösung erscheint. Ganz im Gegenteil ist es so, dass die Berufslehre zu Aufgaben hinführt, deren Erfüllung für Gesellschaft wertvoll und wichtig ist, und mehr noch: In vielen Fällen eröffnet sie Tätigkeitsfelder, die auch subjektiv als sehr interessant und sinnvoll erlebt werden. Auch diese Tätigkeitsfelder werden sich in den nächsten Jahren verändern. Es wird Berufe geben, für die wir heute in der Schweiz ausbilden, die es so in ein paar Jahren wahrscheinliche nicht mehr geben wird. Das muss aber kein Grund zur Entmutigung sein, wenn wir den Erwerb von Qualifikationen modular betrachten, sodass die heute erworbenen Kompetenzen auch ein Baustein dafür sind, dass morgen andere Dinge lernen und machen kann. Denn diese Bausteine lassen sich immer wieder neu arrangieren und einsetzen. Die Berufswelt verändert sich und wird 2040 anders aussehen. Der Fortschritt Künstlicher Intelligenz wird beispielsweise bei Tätigkeiten wie Buchhaltung oder Textverarbeitung weitreichenden Veränderungen führen – am Ende ist aber wiederum menschliche Intelligenz erforderlich, damit die Produkte der KI sinnvoll genutzt werden können. Kaufmännische Berufe sehen in ein paar Jahren sicher anders aus, aber kaufmännisches Denken wird nicht weniger wichtig sein als heute.
Das Erkennen von vorhandenen Ressourcen und Hindernissen sind weitere wichtige Laufbahngestaltungskompetenzen. Es wird immer Personen geben, die zum Beispiel bei der Umsetzung mehr Begleitung und Unterstützung brauchen. Mit Case Management und Mentoring existieren bei Bedarf bereits wichtige Angebote.
Lars Hering ist Leiter der Fachstelle „Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung“ im Kanton Basel-Stadt