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Blog zum NW-Bildungstag 2025

Manuela Misteli Sieber: Schule und Berufswelt 2040 aus Sicht einer Politikerin

19. März 2025
 (Quelle: Michel Lüthi, Solothurn)

Meine Leitlinien für Schule und Berufswelt 2040

🛤️ Freiheit der Wahl – Jugendliche sollen ihren eigenen Bildungs- und Berufsweg wählen können, gestützt auf die Vielfalt und Durchlässigkeit unseres Bildungssystems.
💡 Eigenverantwortung & Initiative – Schule und Berufsausbildung sollen junge Menschen dazu befähigen, Verantwortung zu übernehmen, Chancen zu erkennen und Ideen mutig umzusetzen.
🎯 Anreize statt Verbote – Positive Anreize wirken nachhaltiger als Vorschriften. Sie fördern vernünftiges Verhalten und stärken die Selbstbestimmung der Jugendlichen.
📚 Investition in Grundkompetenzen – Sprachliche und fachliche Basisfähigkeiten sind unverzichtbar. Hier lohnt es sich, klug zu investieren, um langfristig Freiheit und Handlungsspielraum zu sichern. 

Meine Sicht auf das Thema „Schule und Berufswelt 2040“ ist durch eine „Dreifach-Optik“ bestimmt: Zum einen bin ich Kantonsrätin im Kanton Solothurn und dort Mitglied der Bildungs- und Kulturkommission, zum zweiten habe ich als selbständige Architektin einen konkreten Bezug zum Arbeitsmarkt, und zum dritten bin ich Mutter von drei Kindern, die 2040 im Arbeitsleben stehen werden.

Für die junge Generation finde ich es sehr vorteilhaft, dass ihr mehrere Pfade offenstehen, die teils in der dualen Berufsbildung und teils in einer gymnasialen Tradition verwurzelt sind, wobei diese Bildungslandschaft aber zahlreiche Varianten und fliessende Übergänge aufweist, zu denen etwa die Berufsmaturität, die Fachmaturität oder auch die Höhere Berufsbildung gehören. Dieses Nebeneinander unterschiedlicher Wege stärkt die individuelle Freiheit der Jugendlichen, ihren ganz eigenen, passenden Bildungs- und Berufsweg zu wählen.

Mein beruflicher Werdegang hat in der dualen Berufsbildung begonnen und ich habe sehr von der Durchlässigkeit unseres Bildungssystems profitiert. Ich finde nach wie vor, dass die Lehre ein wunderbarer Einstieg ins Berufsleben sein kann. Deshalb ist es mir auch wichtig, dass wir weiterhin an diesem Modell festhalten und seine Stärken in der Öffentlichkeit, bei den Eltern und natürlich auch bei den Jugendlichen selbst deutlich herausstellen. Das ist dann nicht nur eine Sache der schönen Worte, sondern auch eine Sache der Taten: Schnupperlehren und andere „Ausflüge“ in das Arbeitsleben sind sehr wichtig, um praktische Werbung für dieses Modell zu machen. Letztlich geht es darum, dass die Jugendlichen selbst davon überzeugt sind, auf dem richtigen Weg zu sein – und dass sie die Freiheit haben, diesen Weg auch mutig zu gehen.

Für die Vorbereitung auf die Berufswelt von morgen ist es sehr wichtig, dass Kinder und Jugendliche in den Schulen viele Gelegenheiten erhalten, um in Projekten ihre Selbständigkeit und Kooperationsfähigkeit zu erproben und auszubauen. In einer globalisierten und dynamischen wirtschaftlichen Umwelt sind wir auf Arbeitskräfte angewiesen, die fachübergreifend denken und handeln können. Die Volksschule leistet hier sehr wichtige Beiträge, ich kann mir aber vorstellen, dass bei der beruflichen Orientierung und auch bei der Förderung unternehmerischen Denkens pädagogisch noch Luft nach oben besteht. Gerade unternehmerisches Denken bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, Chancen zu erkennen und Ideen mit Eigeninitiative umzusetzen – Eigenschaften, die wir jungen Menschen zutrauen und zutrauen müssen.

Was mir beträchtliche Sorgen bereitet ist der Punkt, dass wir in der Schweiz mit wachsenden Defiziten bei der Sprachkompetenz zu kämpfen haben. Es ist nicht gut, wenn Jugendliche schon beim Schreiben kurzer Texte überfordert sind und diese Texte dann von Fehlern strotzen. Und wir dürfen hier nicht aus einer falschen Rücksichtnahme die Augen schliessen und darauf hoffen, dass die digitale Fehlerkorrektur das schon irgendwie richten wird. Kinder und Jugendliche müssen in den Grundkompetenzen souverän sein, sonst sind sie nachher im Umgang mit digitalen Medien und Künstlicher Intelligenz hilflos und auch bei vielen alltäglichen Aufgaben schnell überfordert. Sprachliche Frühförderung ist hier ein wichtiger Ansatz, wobei das zweifellos Investitionen verlangt. Wer aber an der falschen Stelle spart, bezahlt nachher doppelt und dreifach.

Als Vertreterin einer liberalen Partei ist mir die Leitlinie sympathisch, dass wir eher mit Anreizen als mit Vorschriften arbeiten. Das gilt auch für die sprachliche Frühförderung, die zum Erfolg wird, wenn Eltern darin eine wichtige und attraktive Chance erkennen. Eigenverantwortung und Eigeninitiative sind dabei entscheidend: Der Staat kann unterstützen und anregen, aber die eigentliche Verantwortung für das Lernen bleibt bei den jungen Menschen und ihrem Umfeld. Auch beim Umgang mit digitalen Medien sind Vorschriften in Form eines Handy-Verbots an Schulen aus meiner Sicht nicht der richtige Weg. Mit solchen Verboten machen wir möglicherweise die falschen Dinge interessant und heizen das Suchtverhalten noch an. Deshalb scheint mir auch hier die Frage wichtig: Können wir Anreize setzen, die ein vernünftiges Verhalten begünstigen und gleichzeitig den Jugendlichen den Raum geben, sich zu selbstbestimmten Persönlichkeiten zu entwickeln? Es ist zuzugeben, dass diese Frage komplexer ist, als sie auf den ersten Blick aussehen mag. Aber wir sollten ihr nicht ausweichen und uns klar machen, dass die Gestaltung des Verhältnisses von „Schule und Berufswelt 2040“ eine anspruchsvolle Aufgabe darstellt, die nicht mit einfachen Formeln zu erledigen ist.

Manuela Misteli Sieber ist Kantonsrätin (FDP) im Kanton Solothurn sowie Geschäftsführerin und Inhaberin von „zeit.los architektur“ (www.zeitlosarch.ch).

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